Engels Tränen

Ich weiß die Stammis nervt die Geschichte schon

Engels Tränen
Kindergeschrei. Das erste,was ich am Morgen höre. Fröhliches Geschrei,wie im Spiel. Wahrscheinlich gehen sie gerade in die Schule... treffen ihre Freunde... spielen mit knallbunten Pokémon Karten... sind glücklich. Das sollte ich auch sein. Glücklich,unbekümmert. Mir nur wegen Mädchen und der Schule einen Kopf machen müssen. Am Wochenende mit meinen Freunden abhängen,ins Kino gehen. Aber ich liege hier. Auf dem Bauch,hilflos,verlassen. Verzweifelt, hoffnungslos. Die Gedanken nur um seine Rückkehr kreisend. Und das wird er tun,zurückkommen. Mir tut alles weh,bei jeder noch so kleinen Bewegung. Mein ganzer Körper ist mit blauen Flecken übersät,mein linkes Handgelenk fühlt sich taub an. Da hat er besonders fest zu gepackt. Mich brutal auf die Matratze gedrückt. Festgehalten,so dass ich mich nicht wehren kann. Es ist nicht das erste Mal,dass er das tut. Er tut mir das ständig an. Doch die äußeren Schmerzen haben mich nicht so dahin gerafft. Die wahren Schmerzen sitzen tiefer,sind tausendmal größer,tausendmal zerreißender. Treiben mich fast in den Wahnsinn.
Am liebsten würde ich laut schreien. Doch selbst das kann ich nicht. Meine Kehle ist ausgetrocknet, jeder Versuch,zu Atmen,endet nur mit einem unangenehmen Kratzen im Hals. Wo ist er? Ist er zur Arbeit gegangen? Hat er uns allein gelassen? Oder sitzt er mal wieder fett und zufrieden in seinem Sessel und grinst mich hämisch an,wenn ich das Wohnzimmer betrete? Die Tür geht quietschend auf. Das Geräusch hallt in meinen Ohren wieder,lässt mich zusammenzucken,tut weh. Das ist er bestimmt. Will da weiter machen,wo er aufgehört hat. Mich weiter quälen. Ich kann einfach nicht sehen,wer da ist. Will es auch nicht. Ich will ihm nicht in die Augen schauen müssen,wenn er sich auf mich legt. Mir weh tut. Mich fast zerfetzt. Ich mache die Augen fest zu,die einzige Bewegung,die nicht schmerzt. Ich höre kleine Schritte,unmöglich von ihm. Eine zarte,sanfte Hand streichelt meinen Rücken. „Schläfst du,Engel?”,fragt die ebenso zarte,sanfte Stimme. Die Stimme meiner Schwester. Meiner kleinen,geliebten Schwester. Es ist besser,wenn sie wieder geht. Ich mich in Ruhe erholen kann. Damit sie nicht sieht,was mit mir los ist. Also stelle ich mich schlafend. Aber meinen hektischen Atem kann ich nicht verbergen. Ihre zierliche Hand gleitet zu den blauen Flecken,die meine Schultern bedecken. „Bist du wieder beim Klettern vom Baum gefallen,Engel?” Der Klang ihrer unberührten,besorgten Stimme treibt mir die Tränen in die Augen. Sie hat er noch nie angefasst. Deshalb wehre ich mich nie. Aus Angst,er könnte dann zu ihr gehen. Sie quälen,bis ihr winziger Körper daran kaputt geht. Ich will einfach nicht,dass sie genau wie ich kaputt geht. Irgendwie bringe ich ein Nicken zustande. Dann greife ich nach meiner Decke,stechende Schmerzen fahren durch meinen Unterleib. Doch ich schaffe es,mich umzudrehen und die Decke über meinen geschundenen Körper zu ziehen. Ich kann sie endlich anschauen. „Das sieht schlimm aus. Tut es sehr weh,Engel?” Aus ihrem Mund kommen nur Fragen. Gott sei dank tun sie das. „Ja tut es.”,flüstere ich heißer. Ihre zitternden Hände halten ein Glas Wasser umklammert. „Für dich. Ich hab gedacht,du hast vielleicht Durst,Engel.” Ich mühe mich,meine Stimme nicht zu verzweifelt klingen zu lassen. „Danke,Susi...” Sie weiß schon,was ich weiter sagen will. Schon oft saßen wir so. Sie setzt das Glas an meine Lippen. Ich bin zu schwach,um es selbst zu tun. Irgendwie kann ich schlucken. Das Wasser rinnt meine Kehle hinab,stärkt mich ein wenig. Susi stellt das Glas wieder ab,legt dann den kleinen,blonden Lockenkopf auf meine Brust. In ihrem weißen Nachthemd sieht sie aus wie ein kleiner,süßer Engel. Es fehlen nur die Flügel. Ihre himmelblauen Augen schauen zu mir hoch. „Weißt du,Engel? Papa hat gesagt,wir gehen Eis essen,wenn er wieder da ist. Ist das nicht toll,Engel?”,berichtet sie fröhlich. Lächelt. Jeder normale Bruder würde sie jetzt bestimmt in den Arm nehmen. Sie an sich drücken. Ihr sagen,wie toll er das findet. Und wenn er das nicht tut,würde er irgendetwas tun. Ich aber tue gar nicht. Schaue sie nur an. Sie schaut zurück. Sieht etwas in meinem Blick.
„Tut Papa dir weh,Engel?”,fragt sie dann. Schaut mich aus großen,nachdenklichen Augen an. Sie versteht es nicht. Sie kann es nicht verstehen. Sie will es nicht verstehen. Sie will nicht wahrhaben,dass Papa ihrem großen Bruder weh tut. Kann ich es ihr sagen? Kann ich ihr die schöne Illusion einer wunderbaren Familie einfach zerstören? Ich will es nicht. Ich will ihr nicht sagen,dass Papa ihr weh tun kann. „Engel,du weinst ja!”,schrill hallt ihre Stimme von den Wänden. Ich spüre die Tränen in langen Bahnen über mein Gesicht ziehen. „Nein Susi! Papa tut mir nicht weh!”,schlurze ich unbeholfen. Ich kann es ihr nicht sagen. Kleine Finger streichen die Tropfen aus dem Gesicht. „Ich will ein bisschen schlafen,ja Susi? Bleib aber hier,bitte.”,bitte ich. Susi nickt,setzt sich auf. „Ich bleib hier,Engel. Bis Papa kommt und wir Eis essen gehen,ja Engel? Ich will wieder so einen tollen Schneemann Eisbecher,der war lecker.” Ich schließe müde die Augen. Will meinem Körper wenigstens etwas Ruhe gönnen. Bis er wieder kommt. Doch dann höre ich die Haustüre. „Susi,geh ins Wohnzimmer und mach dir ein bisschen den Fernseher an. Da ist bestimmt irgendwas lustiges drin. Kannst du auch ausnahmsweise laut machen.”,sage ich schnell,weiß ganz genau,dass er nach Hause kommt. Das mit der Lautstärke ist keine Ausnahme. Eigentlich sage ich das immer. Damit sie nichts hören muss. „Wirklich,Engel?! Danke!”,sie stürmt überglücklich ins Wohnzimmer. „Hallo Papa!” „Hallo,Süße! Wo ist dein Bruder?”,höre ich Papas tiefe Stimme. „Engel ist in seinem Zimmer. Gehen wir gleich wirklich Eis essen?” Susi klingt ganz aufgeregt. Zu recht. Wann gehen wir schon mal Eis essen? „Natürlich,mein Schatz. Ich muss nur noch mit Steffen reden. Ist ganz wichtig,dann können wir aber gehen. Und jetzt mach dir etwas den Fernseher an.” Ich höre seine schweren Schritte auf die Tür zu kommen. Dann schließt sich die Tür. Er steht im Zimmer. Aus dem Wohnzimmer höre ich eine fröhliche Kindergruppe Lieder singen. Wie die Kinder auf der Straße. Glücklich,unbekümmert.
Wieder einmal ist mein Körper wie festgenagelt. Den Kopf ins Kissen gedrückt. Druck auf dem gebrochenen Handgelenk. Dann packen die starken Hände meine Schultern,halten mich wie ein Schraubstock fest. Ich fühle mich,als würde meine Seele bei jedem seiner Stöße ein Stück weiter aus meinem Körper getrieben. Ich würde als seelenloses Spielzeug enden. Doch ich dürfte nicht schreien,mich nicht wehren. Susi würde es hören. Ich will nicht,dass sie es hört. Das Lied „Alle meine Entchen”,wird im Wohnzimmer gesungen. Susi lacht,singt mit. Ich kann es genau hören,obwohl er mir ins Ohr keucht.

Alle meine Entchen
schwimmen auf dem See
schwimmen auf dem See
Köpfchen in das Wasser
Schwänzchen in die Höh

Die alten Zeilen,die ich schon sang. Voller Lebensmut,Hoffnung. Doch nun? Doch nun bin ich ein gebrochener Engel. Zerschmettert,durch die Faust des eigenen Vaters. Tränen rinnen wieder meine Wangen runter. Wieder muss ich schlurzen,aber nur ganz leise. Sie darf es nicht hören.

Sie,mein kleiner Engel

ich hab den text schon so oft gelesen, und immer noch bereitet er mir eiskalte schauer!!! das ist ein evergreen bzw. everblack? ;)

Du könntest mir durchaus mal den Gefallen tun, was zu schreiben, was man auch verbessern kannn :-)

Ich kann mich ColdReader nur anschließen : Das ist echt klasse!

schnuffi vergiss mal nicht,dass man die fast ohne mein Zutun abgedruckt hätte ^^

Naja Leth das ist auch eine Geschichte auf die ich sehr stolz bin,da ich schon viel positives Feedback bekommen habe. ^^Danke auch für dein Kommi,bin echt gespannt,wann du mal was online stellen wirst^^